Werkzeuge im mindboxPlus-Modell: PERMA-Lead | Relationships
Relationships | gelingende Beziehungen
Dieser Teil des PERMA-Lead-Modells widmet sich der Bedeutsamkeit der Beziehungen. Gemeint sind alle Beziehungen, unabhängig hierarchischer Positionen und Rollen. Ich bin mir sicher: Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig gute Beziehungen sind. Und das gilt im Arbeitskontext gleichermassen wie im privaten Umfeld. Gute Beziehungen sind sogar ein menschliches Grundbedürfnis. Doch dazu später mehr. Man weiss, dass junge Menschen einen Arbeitsplatz aufgrund potenzieller freundschaftlicher Arbeitsbeziehungen wählen. Dies zeigt eine 2017 veröffentlichte Studie. Aber was macht eigentlich gute Beziehungen aus? Es gibt verschiedene Untersuchungen, die sich dieser Fragestellung widmeten. Im Arbeitskontext ist es aber zwingend, dass nicht nur «gute Beziehungen» vorherrschen, sondern gleichzeitig auch ein guter Output möglich wird. Oder anders gesagt: Wenn wir am Arbeitsplatz alle miteinander befreundet sind, aber der Output mangelhaft ist, wird dies weder für Arbeitgeber:innen noch für Arbeitnehmer:innen zufriedenstellend sein. Dennoch haben Beziehungen in allen Lebensbereichen (Privat und Arbeit) viele Gemeinsamkeiten, wenn sie als positiv empfunden werden:
Vertrauen beeinflusst Beziehungen massgeblich. Vertrauen ist quasi das Bindemittel menschlicher Gemeinschaften. Vermutlich aus eigener Erfahrung wissen die meisten von uns, dass Vertrauen wesentlich schneller zerstört als aufgebaut werden kann. Vertrauensaufbau ist eine relevante und gleichermassen anspruchsvolle Aufgabe. Wesentlich dabei ist eine verständnisvolle Kommunikation «auf Augenhöhe», das Vermeiden bzw. der Abbau bedrohlicher Handlungen (das können Handlungen sein, die das Gegenüber als bedrohlich empfindet, ohne dass diese bewusst erfolgen) und der Einsatz von Handlungen, die vertrauensfördernd wirken.
Regelmässige, wertschätzende Interaktion: Miteinander «eine gute Zeit» zu verbringen, ist essenziell. Dabei können Menschen gemeinsame Erfahrungen machen und gemeinsame Erlebnisse haben. Das stärkt die Bindung zwischen Menschen. Aus meiner Sicht besonders herausfordernd ist dieser Aspekt in der Remotearbeit bzw. bei virtuellen Teams. Hier ist es besonders wichtig, diesem Aspekt Gewicht zu geben und nach Möglichkeiten zu suchen, auch virtuell miteinander Zeit verbringen zu können.
Bindungen und gute Beziehungen werden durch gemeinsame Ziele/Absichten und Rollenklarheit gefödert. Ein Team, das möglichst mit gemeinsamen Absichten, Zielen und einem gemeinsamen Verständnis der Werte der Zusammenarbeit unterwegs ist, bringt bessere Ergebnisse.
Resonanz - eine andere Sicht auf Beziehungen
Resonanz: Ich fühle, was du fühlst.
Da positive intakte Beziehungen ein menschliches Grundbedürfnis sind, haben schlechte (oder keine) Beziehungen deutliche negative Konsequenzen. Wer keine Beziehungen (oder nur negative) hat, riskiert, daran mindestens psychisch zu erkranken. In den letzten Jahrzehnten wurden dazu unzählige Studien verfasst. Relativ neu ist die sogenannte Resonanzforschung. Im Folgenden zeige ich Ihnen, wie bedeutsam die Resonanzforschung ist und in welchem Zusammenhang sie mit unseren Beziehungen steht,
Die Resonanzforschung – im Wesentlichen im Bereich der Neurowissenschaften – ist zwar noch jung, bietet aber viele spannende und aus meiner Sicht relevante Erkenntnisse. Was hier unter dem Thema Resonanz beschrieben ist, hat also eine enge und direkte Verknüpfung mit dem Grundbedürfnis nach Beziehung aller Menschen, den Themen Beziehungsgestaltung und Kommunikation. Allerdings lässt sich der Resonanzbegriff ebenfalls unter verschiedenen Perspektiven erläutern. Eigentlich wäre es ja möglich, dass Menschen Musik ausschliesslich in digitaler Form hören würden. Dennoch gehen viele Menschen gerne in ein Konzert. Doch Hand aufs Herz: Die Tonqualität liesse sich häufig mit einer sehr guten digitalen Aufnahme und einem erstklassigen Equipment mit hervorragend positionierten Boxen im Wohnzimmer sogar besser erleben. Im Livekonzert selbst gibt es aber noch mehr. Die Musik wird gewissermassen erlebbar, für viele auch spürbar und nicht zuletzt „schwingen“ die Besucherinnen und Besucher irgendwie gemeinsam. An diesem Beispiel zeigt sich, dass ein Erlebnis und eine Erfahrung mehr sein kann als nur Zahlen, Daten und Fakten – oder (um im Beispiel der Musik zu bleiben) mehr als nur Töne mit gewissen Frequenzen. Das Thema Resonanz wird einerseits aus einer neurowissenschaftlichen Sicht beschrieben und andererseits aus einer sozialpsychologischen Perspektive. Der deutsche Sozialforscher Hartmut Rosa beschreibt den Resonanzbegriff aus drei Perspektiven, die er «Achsen» nennt.
In der sogenannten horizontalen Achse geht es um soziale Beziehungen (Familie, Freundschaft, aber auch Politik). Im Zentrum stehen hier die Prozesse und Phänomene der gegenseitigen Anerkennung. Man könnte hier auch sagen «in Resonanz sein mit den Menschen in meinem Umfeld».
Menschen können aber auch in Resonanz sein mit der Arbeit, mit Sport, mit der Schule etc. Hartmut Rosa spricht hier von einer diagonalen Resonanzachse.
Wir können aber auch in Resonanz sein mit dem grossen Ganzen. Also beispielweise mit der Natur, mit Kunst oder mit der Welt im Allgemeinen.
Anhand der obigen Beschreibungen wird der Resonanzbegriff etwas klarer: Man ist in positiver Resonanz, wenn man mit Menschen oder Dingen «mitschwingt», dabei ein gutes Gefühl hat und sich verbunden fühlt. In der psychologischen, sozialen und neurowissenschaftlichen Forschung ist das Thema Resonanz noch nicht sehr lange ein Forschungsgegenstand. Jedoch ist bereits klar, dass Lernen und Entwicklung sehr viel mit Resonanz zu tun haben. Dies nämlich deshalb, weil wir immer nur im sozialen Kontext lernen können. Alles, was Sie bis heute gelernt haben, haben Sie in sozialen Strukturen (oder anders gesagt: von anderen Menschen) gelernt. Als Kind haben Sie laufen gelernt, weil Sie es anderen abgeschaut haben. Copy & Paste, kopieren und einfügen. Sie haben Ihre Muttersprache gelernt, weil Sie in Beziehung (Resonanz) zu anderen, für Sie bedeutungsvollen Bezugspersonen gestanden sind (wahrscheinlich Ihre Eltern). Und auch im Erwachsenenalter gibt es keinen anderen Weg als in sozialer Resonanz zu lernen. Deshalb wird von vielen Führungskräften so gerne der Satz „ich muss Vorbild sein“ als wesentliche Führungseigenschaft genannt. Vorbild sind Führungskräfte also aufgrund des Resonanzphänomens immer, egal ob auf positive oder negative Art.
Resonanz und spiegelneuronale Netzwerke
Etwas allgemeingültig gesagt, bedeutet Resonanz oder „mit etwas in Resonanz sein“ etwa „mit etwas in Beziehung sein“ oder etwas plakativer ausgedrückt: „gleich schwingen“. In den Naturwissenschaften wird Resonanz häufig im Kontext mit Schwingungen verwendet. Vielleicht wird die Idee der Resonanz etwas konkreter, wenn wir an einem Beispiel erläutern, was es bedeutet, nicht in Resonanz zu sein. Das Gegenteil von Resonanz wird „Entfremdung“ genannt. Wer beispielsweise an einer Depression oder einem Burnout leidet, ist der Welt entfremdet. Man „hat“ beispielsweise Familie, Arbeit, Verein, Religion etc., aber sie „sagen“ einem nichts: Es findet keine Berührung mehr statt. Alles erscheint deshalb gleichermassen als bleich, tot und leer.
Joachim Bauer, ein deutscher Psychotherapeut und Neurowissenschaftler, hat bereits einiges zum Thema Resonanz veröffentlicht. Jeder Mensch hat gewissermassen eine innere Vorstellung davon, wer er ist. Die Summe der Gedanken, Gefühle und Überzeugungen, die ein Mensch in Bezug auf seine eigene Person hat, bilden sein „Selbst“. Dieses Selbst ist quasi das Vermittlungssystem des Menschen zwischen der sozialen Umwelt und dem eigenen Körper. Bei der Geburt ist dieses Selbstsystem aus neurobiologischer Sicht noch funktionsunfähig. Babys können zwar fühlen, ein Selbst besitzen sie jedoch noch nicht. Das Selbst entsteht in den ersten zwei Lebensjahren durch zwischenmenschliche Resonanz, die aus einer besonderen Beziehung zwischen Säugling und Betreuungsperson entstehen kann.
Zur Erklärung von Resonanzphänomenen zwischen Menschen verwendet Bauer die Metapher von zwei Gitarren, die einander gegenüberstehen. Wenn die E-Seite der einen Gitarre angezupft wird und damit zu klingen beginnt, werden die von ihr ausgehenden Schallwellen der gege nüberliegenden Gitarre die gleiche Seite zum Klingen bringen. Das wird als Resonanz bezeichnet. Zwei Menschen, die sich begegnen, erleben im Grunde genommen das Gleiche. Deshalb können sich Menschen gegenseitig auch mit Gefühlen, Stimmungen und inneren Haltungen quasi „anstecken“. Im Hirn gibt es sogenannte spiegelneuronale Netzwerke (Spiegel-Nervenzellen). Sie heissen deshalb so, weil sie das, was im Gehirn eines Mitmenschen vor sich geht, spiegelbildlich übernehmen können. Dieses Phänomen wurde neurowissenschaftlich belegt.
Ein derartiges Resonanzphänomen braucht aber gewisse Voraussetzungen: Der andere Mensch muss anwesend sein, er muss sich quasi im Einzugsgebiet der fünf Sinne befinden. Die Signale werden durch Körpersprache, normale Sprache oder durch beides übermittelt und werden vom Gehirn des Empfängers gelesen und dekodiert. Das Spannende daran: Dieser Vorgang passiert vollautomatisch, er bedarf keinerlei Anstrengung und Nachdenkens. Und genau auf diese Art entwickelt ein Säugling in seinen ersten Lebensjahren sein Selbstsystem. Das kann entweder auf positive oder negative Art geschehen und ist gleichzeitig eine wegweisende Prägung für die nächsten Lebensjahre. So wurde beispielsweise festgestellt, dass, wenn sich Eltern – unabhängig davon, ob Vater oder Mutter – dem Säugling liebevoll zuwenden, sowohl der Elternteil wie auch das Baby Oxytocin ausschütten (Oxytocin gilt als das Bindungshormon schlechthin; umgangssprachlich manchmal auch Kuschelhormon genannt).
Das Beispiel zeigt: Resonanzprozesse haben immer auch eine biologische Auswirkung bzw. eine Auswirkung auf den gesamten Körper oder Teile davon. Mit zunehmendem Lebensalter erlangen Menschen die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Dann entstehen neue Möglichkeiten, das eigene Selbstsystem auch aus einer Außenperspektive zu beobachten. Das bietet auch Chancen. Das Gehirn ist kein statisches Bauwerk, sondern vielmehr ein dynamisches, plastisches Netzwerk verschiedenster Einheiten/Nervenzellen. Diese verändern sich laufend und können sich neu miteinander verdrahten. Die Neurowissenschaftler sprechen hier von Neuroplastizität. Die Neuroplastizität ist auch Voraussetzung dafür, dass Menschen gewissen Gewohnheiten «umformen» bzw. anders lernen können. Unsere neuronale Struktur passt sich auch der Umgebung und dem Umfeld an. Führungspersonen, die bewusst Rahmenbedingungen für ein hohes PERMA schaffen, unterstützen damit auch eine positive Entwicklung der neuronalen Strukturen der Mitarbeiter:innen. Das Gleiche gilt natürlich für alle sozialen Systeme: Partnerschaft, Familie, Verein usw. Fazit: Das alte Sprichwort „was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ wurde durch moderne Erkenntnisse der Neurowissenschaften damit eindrücklich widerlegt.
Resonanzprozesse enden nicht nach der Babyphase. Vielmehr dauern sie ein Leben lang an und bestehen immer, wenn Menschen untereinander in Interaktion sind. Das erklärt, dass Menschen aufeinander eine starke Wirkung haben können, egal welcher Art ihre Beziehung ist. Und wenn man bedenkt, dass Resonanzprozesse körperliche/biologische Folgen haben, dann lohnt es sich umso mehr, sich dies in allen Begegnungen vor Augen zu halten. Führungskräfte, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Angebote machen, sie ermutigen, sie auf eine positive Art auffordern an einer Sache dran zu bleiben, fördern entsprechend positive Resonanzprozesse und fördern damit in der direkten Interaktion möglicherweise sogar die Persönlichkeitsentwicklung anderer. Dem Umgang mit dem Thema Persönlichkeit ist aber in allen Lebensumständen besonders Aufmerksamkeit zu widmen. Die Persönlichkeit von Menschen gilt als dauerhaft und stabil. Wir können Persönlichkeit von anderen nicht verändern. Ich habe diesem Thema deshalb ein separates Kapitel gewidmet. Persönlichkeit entsteht durch verschiedene Faktoren. Dabei spielt die genetische Ausgangslage eine Rolle. Joachim Bauer sagt dazu, die Gene sind quasi die Klaviatur unseres Körpers, die von der Umwelt, in der ein Mensch lebt, bespielt wird. Die Epigenetik erforscht und belegt, dass Lebensstile und zwischenmenschliche Erfahrungen Gene quasi aktivieren oder inaktivieren können. Bauer verweist auf Forschungsergebnisse, die Gene lediglich als Körper-Grundbauplan sehen und alle sonstigen physischen und psychischen Eigenschaften eines Menschen von der Regulation der Genaktivität abhängig ist. Ob also jemand sportlich wird oder psychisch stabil ist, sei nicht vorherbestimmt, sondern eben von Lebensstilen, Umwelt und zwischenmenschlichen Erfahrungen abhängig.
Wenn nun – was ja auch eine Zeiterscheinung ist – Menschen ihr analoges Selbst in die digitale Welt (soziale Netzwerke) auslagern, hat das auch Auswirkungen auf die Entwicklung des effektiven Selbstsystems; das ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen gut belegt. Resonanzforscher raten deshalb dringend davon ab, das Kind in den ersten Jahren mit digitalen Endgeräten zu bedienen und bezeichnen diese für die Entwicklung des Selbstsystems sogar als schädlich.
Seien wir uns bewusst: Wenn wir mit anderen Menschen in Interaktion sind, lösen wir immer Resonanzprozesse aus, die sich körperlich und biologisch beim Gegenüber auswirken. Positive Resonanzprozesse stärken das Selbst des Gegenübers, negative Resonanzprozesse schwächen es. Jeder Mensch entscheidet selbst, ob er positive oder negative Resonanzprozesse gestaltet.
Reflexionsfragen zum Thema Resonanz und Beziehungen
Mit welchen Menschen umgeben Sie sich gerne? Bei wem tanken Sie auf? Welche Situationen tun Ihnen besonders gut? Wie könnten Sie «mehr davon» bekommen?
Welche Menschen tun Ihnen eher weniger gut? Welche Situationen verursachen eher negative Emotionen? Gibt es eine konkrete Möglichkeit, «weniger davon» zu bekommen?
Wie begegnen Sie anderen Menschen? Gelingt es Ihnen, Ihren Mitarbeitenden, Freunden, Partnern, Kindern etc. «auf Augenhöhe» zu begegnen? Damit ist eine Haltung gemeint, unabhängig von Rolle und Hierarchie.
Was kann ich Führungsperson zu Beziehungsgestaltung ganz konkret beitragen?
Begegne ich anderen Menschen immer mit der Haltung «ich bin ok – du bist auch ok»?
Welche Rolle spielen Vorurteile in der Beziehungsgestaltung für mich?
Gibt es Budget in der Unternehmung, mit dem das Team selbst gemeinsame Unternehmungen planen kann?
Gebe ich als Führungsperson auch von mir persönlich etwas Preis? Vielleicht sogar etwas Persönliches?
Gestalte ich Rituale wie gemeinsame Mittagessen etc.?
Fördert die Organisation die Bildung interner Netzwerke? Zum Beispiel durch Job-Rotation?
Wie würden externe Menschen die Beziehungen in unserem Unternehmen beschreiben?
Haben wir interne Kommunikationsgefässe (zum Beispiel Intranet oder Zeitschriften), in denen auch persönliche Aspekte von Teams oder Einzelnen zur Sprache kommen?
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