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Autorenbildchristophdobler

Werkzeuge im mindboxPlus-Modell: Sind Ziele automatisch motivierend?

Aktualisiert: 8. Apr. 2023

Ziele sind motivierend. Wirklich immer?



Wir lernen schon früh im Leben, wie wichtig Ziele sind. Bereits in der Grundschule arbeiten Kinder mit Zielen und müssen diese teilweise auch ausformulieren. Einmal im Berufsleben angelangt, geht es mit Zielen munter weiter.


Das vor vielen Jahrzehnten entwickelte betriebswirtschaftliche Konzept des Führens mit Zielen (englisch: Management bei Objectives oder kurz MbO) trug das Seine dazu bei. Kurz erklärt geht es dabei darum, dass ein Unternehmen seine strategischen Ziele erreichen kann, wenn jede Abteilung, jedes Team und jedes einzelne Individuum ein konkretes Teilziel dazu beitragen. Alle Teilziele zusammen führen dann – so die Theorie – zum Erreichen des Unternehmenszieles.


Daran ist grundsätzlich nichts falsch. Natürlich ist es hilfreich, wenn alle Menschen in einem Unternehmen am gleichen Ziel arbeiten und natürlich steigt die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung in diesem Fall. Gleichzeitig handelt es sich dabei doch um ein eher mechanistisches Menschenbild. In den letzten Jahren hat die Motivationsforschung massive Fortschritte gemacht. Gerade die Neurowissenschaften haben viel dazu beigetragen.


Aus meiner persönlichen Perspektive werden die klassischen und mechanistischen Führungstechniken, wie beispielsweise das standardisierte MbO, vielen menschlichen und unternehmerischen Situationen nicht mehr gerecht. Auch aus motivationstheoretischer Perspektive ist das Konzept unzureichend, denn allein die Technik zur Formulierung von Zielen garantiert noch keine Motivation


Das Ziel muss nur "smart" sein. Stimmt das?

Sicher kennen Sie die Smart-Formel zur Zielformulierung, die in den 1990er Jahren entwickelt wurde. Kurz gesagt ist man davon ausgegangen, dass Ziele dann wirkungsvoll sind, wenn sie (1) spezifisch, (2) messbar (da geht es auch um die Kontrolle der Zielerreichung), (3) grundsätzlich erreichbar und

(4) realistisch und mit einem (5) Endtermin versehen sind.


Dieses Konzept hält sich bis heute in sehr vielen Unternehmungen und wird nicht nur zur Kontrolle der Zielerreichung verwendet, sondern hat auch im Bereich der Personalentwicklung Einzug gehalten. In fast allen Fällen ist damit auch eine Beurteilung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verknüpft. Bei diesem Thema handelt es sich um ein sehr weites Feld und es könnte viel darüber gesagt und geschrieben werden. Aus meiner persönlichen Sicht gibt es durchaus Situationen, in denen sich derartige Zielformulierungen lohnen und sinnvoll sein können. Es gibt aber auch unzählige andere Situationen, in denen derartige Ziele unsinnig sind und die damit verknüpften Beurteilungen keinesfalls nur motivierende Wirkungen haben – ganz im Gegenteil. Das Polaritätsprinzip lässt grüssen…


Die Psychologin und Psychoanalytikerin Maja Storch beschreibt drei Voraussetzungen, die gemeinsam erfüllt sein müssen, damit smarte Ziele ihre Wirkung auch aus motivationaler Sicht gut erfüllen können:


1. Das Ziel und die Aufgaben, die zur Zielerreichung führen, müssen einfach strukturiert und ergebnisorientiert sein.

2. Die Person, die das Ziel erhält, braucht dafür eine intrinsische Motivation.

3. Die Person, die das Ziel erhält, darf in Bezug auf das Ziel weder bewusste noch unbewusste Zielkonflikte haben.


Aus meiner Erfahrung werden in der Praxis immer noch zu häufig Ziele vorgegeben oder vereinbart, die diese drei Kriterien nicht oder nur teilweise erfüllen, wobei gerade der letzte Punkt besonders schwierig in Erfahrung zu bringen ist. Ausserdem sind viele Zielformulierung auf Basis einer Defizithaltung entstanden. Doch was kann man tun?


Im Folgenden sind einige Facts dargelegt, die helfen können, die Motivationskraft von Zielen zu stärken. Dabei ist es unerheblich, ob es um selbst gesetzte Ziele geht (im Sinne von Neujahrsvorsätzen) oder ob es um unternehmerische Ziele oder Ziele im Bildungsumfeld geht (beispielsweise in der Volksschule).




So entsteht Motivationskraft


Wie entsteht eigentlich Motivation oder Handlungsenergie? Klar ist, dass eine wirkungsvolle und nachhaltige Handlungsenergie immer mit positiven Affekten/Emotionen verknüpft ist. Die Forschung zeigt, wie derartige positive Affekte und Emotionen entstehen können. Hier sind dazu einige Gedanken aufgeführt.


Bevor wir hier etwas konkreter werden, noch ein kleiner Einblick in neurowissenschaftliche Erkenntnisse: In unserem Hirn gibt es keine direkte Verbindung zwischen Wort und Gefühl. Ein gehörtes oder gesprochenes Wort allein löst kein Gefühl aus. Das Gefühl wird über ein Bild erzeugt. Und dabei sind vor allem auch innere Bilder gemeint. Ein Wort ist also bestenfalls eine Art Trigger, dass in Bruchteilen von Sekunden (wir sprechen hier vom Millisekunden Bereich) ein inneres Bild erscheinen lässt. Die Entstehung dieses inneren Bildes bzw. des dazugehörigen Affektes/Emotion geschieht effektiv etwa viermal schneller als der Verstand (das logische Denken, die Ratio) dies tun könnte.


Sie können das gerne selbst prüfen. Auf Ihrem Mobiltelefon haben Sie sicher einige Bilder. Zum Beispiel Urlaubsbilder, Bilder der letzten Party, Bilder von Ihren Kindern oder was auch immer. Scrollen Sie einmal kurz durch diese Bilder (am besten, wenn Sie in einer entspannten und gelassenen Stimmung sind) schauen Sie sich die Bilder an und spüren Sie, was die Bilder auf der affektiven/emotionalen Ebene bei Ihnen auslösen. Können Sie etwas wahrnehmen? Wie an anderer Stelle bereits erläutert, werden diese Affekte als somatische Marker, also als Körperempfindungen, übermittelt.


Welche Motivatoren und Energiespender gibt es?

Ruth Seliger beschreibt drei Motivatoren oder Energiespender: (1) Sinn, (2) Zuversicht und (3) Einfluss.


  1. SINN: Zum Thema Sinn und Sinnempfinden wurde bereits in diesem Blog zu PERMA-Lead einiges gesagt. Das Gleiche gilt natürlich auch, wenn man Sinn als Motivator betrachtet. Die Ergebnisse der Psychologie der positiven Emotionen, aber auch Ergebnisse aus der Glücksforschung belegen, dass Energie/Motivation vor allem dann entsteht, wenn die Tätigkeit als sinnvoll betrachtet wird. Sinnempfinden ist aber etwas hochindividuelles. Was Klaus als sinnvoll empfindet, muss für Petra noch lange nicht sinnvoll sein. Sinn ist also etwas, das wir individuell beurteilen. Wenn wir etwas sinnvoll finden, dann geht es dabei um ein inneres (vielleicht auch unbewusstes) Motiv, es geht um einen erwarteten Nutzen, um ein Ziel oder eine Vision unseres Handelns. Und natürlich wissen wir, dass die Sinnfrage eine der schwierigsten ist, die uns Menschen umtreibt. Häufig kann mit dem Verstand gar nicht erklärt werden, weshalb etwas als sinnvoll empfunden wird. Auch hier kann es sich wieder um ein diffuses, inneres Gefühl handeln. Es ist auch gar nicht entscheidend, ob jemand sein Sinnempfinden überhaupt in Worten formulieren kann. Viel wesentlicher ist dieses innere gefühlte „Ja!“.

  2. Zuversicht. Dem Thema Zuversicht sind wir bereits bei der Thematik Stärken/Ressourcen begegnet. Zuversicht – so beschreibt es Ruth Seliger – ist das Ergebnis einer optimistischen Haltung und führt zur Erforschung unserer Ressourcen, was die optimistische Haltung verstärkt. Zuversicht ist daher ein Prinzip, das Energie schafft. Und Zuversicht entsteht durch die konsequente Ausrichtung auf positive Erfahrungen, Stärken, Ressourcen und Potenziale. Zuversicht entsteht, wenn die Aufmerksamkeit auf all das gerichtet wird, was positiv im Sinne von real und bereits vorhanden ist. Die Orientierung am Gelingenden und insbesondere an Stärken, Talenten und Ressourcen ist dabei ein zentraler Faktor.

  3. Einfluss. Auch diesem Motivator sind wir bereits begegnet. Keinen Einfluss zu haben oder gar machtlos zu sein, führt zu negativer Energie. Die Depressionsforschung hat das schon lange gezeigt. Keinen Einfluss zu haben fördert negative Emotionen wie beispielsweise Zorn, Resignation, oder Zynismus. Gute, positive Energie entsteht, wenn die Menschen die Möglichkeiten zum eigenen Gestalten erkennen.


Zur Verdeutlichung dieser drei Grundprinzipien hilft das folgende Beispiel: Sandra ist eine begeisterte Sportlerin. Im Kern ihrer sportlichen Aktivitäten (beruflich arbeitet sie als Personalberaterin) verbringt sie die Freizeit und die freien Wochenenden in den Bergen mit Klettern. Die steilsten und schwierigsten Bergwände sind diejenigen Herausforderungen, die sie liebt. Kondition und Krafttraining unter der Woche gehören da in der Freizeit ebenso dazu. Würden wir Sandra nach dem Sinn ihrer Leidenschaft fragen, würden ihr vermutlich die Worte fehlen. Aber wahrscheinlich könnten wir in ihrem Gesicht erkennen, wie viel Freude ihr das Hobby bereitet (Sie erinnern sich an die somatischen Marker? Diese können auch äusserlich sichtbar werden). Vielleicht, wenn sich Sandra Zeit nehmen würde, dann könnte sie versuchen, uns den Sinn ihres Hobbys zu erklären. Vielleicht würde ihr das gelingen. Und vielleicht könnten wir es sogar ein wenig verstehen. Und vielleicht würde es Sie sogar interessieren, selbst einmal zu klettern. Sicher hat Sandra auch sportliche Fähigkeiten und Stärken, die ihr das Klettern möglich machen. Dazu braucht es ganz sicher körperliche Ressourcen, aber auch Stärken wie Durchhaltevermögen und viele andere mehr. Diese Stärken und Fähigkeiten sind für Sandra Ressourcen. Sie wird deshalb zuversichtlich sein, dass sie auch die nächste Steilwand schafft. Jedes Wochenende kann Sandra selber entscheiden, welche Wand sie besteigen möchte. Sie kann auch selber entscheiden, ob sie am Abend ins Training geht oder nicht. Und vor dem Klettern kann sie nach Prüfung der Wetterbedingungen entscheiden, ob sie die Wand in Angriff nehmen möchte oder nicht. Alle drei Prinzipien der Energie/Motivation (Sinn, Einfluss, Zuversicht) sind also erfüllt.


Persönliche Reflexion zu Ihren Motivatoren

Wie sieht es mit Ihrem persönlichen Hobby oder mit etwas anderem, das Sie gerne und leidenschaftlich tun, aus? Prüfen Sie diese Tätigkeit mit den drei oben beschriebenen Motivatoren. Ich bin mir sicher, dass diese drei Motivatoren erfüllt sind. Umgekehrt können Sie auch Tätigkeiten prüfen, die Sie weniger gerne tun. Wie sieht es dann mit diesen drei Prinzipien aus? Welches ist nicht oder nur teilweise erfüllt?


Drei Tipps für Führungspersonen für mehr Motivation bei Zielen

Führungskräfte, die mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ziele vereinbaren wollen/müssen, könnten sich folgendes zu Herzen nehmen:


  1. Sprechen Sie mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter über den Sinn des Ziels. Legen Sie Ihre eigene Meinung zum Sinn dar, und fragen Sie auch Ihr Gegenüber, ob es hinter der Massnahme/dem Ziel auch einen Sinn erkennen kann. Und denken Sie daran: Sinn kann nicht verordnet werden. Aber ein Gespräch gibt mindestens die Möglichkeit, dass ein Sinn erkannt werden könnte. Sprechen Sie ruhig auch über das grosse Ganze des Ziels. Warum dieses Ziel? Wie trägt die Zielerreichung zum Grossen und Ganzen bei? Was sind mögliche übergeordnete Ziele? Welche anderen Menschen/Teams oder Organisationseinheiten arbeiten auch an diesem Ziel?

  2. Sprechen Sie über Stärken und Ressourcen. Welche Stärken, Talente und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiterin oder Ihres Mitarbeiters helfen, am Ziel dranzubleiben, das Ziel erreichen zu können? Wie können Sie als Führungskraft die Stärken Ihrer Mitarbeiter:innen fördern und entwickeln? Was kann die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter selbst zur Stärkenentwicklung beitragen? Vermeiden Sie es, Schwächen im Zusammenhang mit der Zielerreichung anzusprechen. Die Fokussierung auf Schwächen führt zu negativen Energien/Emotionen und häufig zu einer „angezogenen Handbremse“. Bleiben Sie beim Gelingenden. Was hat in der Vergangenheit bereits funktioniert? Was ist bereits vorhanden, was weiter genutzt werden könnte?

  3. Sprechen Sie auch über die Handlungsmöglichkeiten. Natürlich hat jede Organisation Rahmenbedingungen, Grenzen und Einschränkungen. Diese dürfen gesehen und definiert werden. Doch der grösste Teil des Gesprächs sollte sich um Möglichkeiten handeln. Geben Sie der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter Handlungsmöglichkeiten, Einflussmöglichkeiten. Je mehr selbst und aus eigener Kraft gestaltet werden darf, desto grösser die Chance auf Motivation. Fragen Sie Ihre Mitarbeiterin/Ihren Mitarbeiter auch um seine/ihre eigene Meinung. Auch das Ernstnehmen von Meinungen anderer ist eine Möglichkeit, das Potenzial für Motivation zu stärken.


Wer diese wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse anwendet, lebt kein mechanistisches Menschenbild. Vielmehr sieht er den Menschen als ein sinnsuchendes Wesen, das dazu strebt, Einfluss nehmen zu können und seine Stärken und Fähigkeiten einbringen zu dürfen. Damit ist eine andere Haltung, ein anderes Mindset verknüpft. Und damit sollte auch klar sein, dass Menschen nicht von aussen nachhaltig, langfristig und wirkungsvoll motiviert werden können. Motivation kann nicht geimpft werden. Echte Motivation entsteht auch nicht durch Belohnungssysteme (oder nur kurzfristig). Im schlimmsten Fall verhindern oder reduzieren Belohnungsanreize sogar die intrinsische Motivation. Es gibt Studien, die zeigen, dass bei Anreizsystemen (jemand, weiss im Voraus, dass man «für etwas» belohnt wird), die innere Motivation sinkt. Motivation entsteht immer im Menschen selbst und ist in diesem Sinne eine Selbstmotivation. Führungskräfte, Eltern und Pädagogen können aber Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Motivation besser möglich wird. Auch klar ist, dass Menschen zwar nicht von aussen motiviert werden können, sehr wohl aber können Menschen von aussen sehr schnell demotiviert werden.


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