4 Tipps zur Mitarbeiterförderung. Möglichkeiten und Grenzen
Wie kann man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt fördern und entwickeln? Was ist in der Mitarbeiterförderung möglich und welche Grenzen gibt es? Aus der Vielzahl an Möglichkeiten zur Entwicklung von Mitarbeiter:innen zeige ich dir hier 4 konkrete Tipps zur Mitarbeiterförderung. Gleichzeitig erfährst du, wo die Grenzen der Entwicklungsmöglichkeiten liegen.
Für Mitarbeiterförderung gibt es kein Rezept.
Diese Aussage ist keine Provokation. Ich meine das ernst. Es gibt kein Rezept und keine Standardlösung, wie man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickeln und fördern kann. Aber: Du als Führungsperson kannst die Voraussetzungen schaffen, damit deine Mitarbeitenden die Möglichkeit haben, Neues zu lernen, sich zu entwickeln und gemeinsam mit den Aufgaben und der Organisation zu wachsen.
Grundlagen um Lern- und Entwicklungsprozesse als Führungsperson verstehen zu können
Einen Menschen kann man nicht mit einen eindeutigen Prozess zum Lernen bringen oder dazu, dass er sich entwickelt. Voraussetzung dafür ist, dass Menschen einsichtig sind, dass sie verstehen (rational oder auf der Gefühlsebene oder am besten auf beiden Ebenen), dass ein Lern-, Veränderungs- oder Entwicklungsschritt wichtig und gut ist.
Voraussetzung, damit Mitarbeiterförderung möglich und wirksam ist.
Einfach gesagt: Wenn du nicht weisst, dass du etwas nicht kannst, dann wirst du es auch nicht lernen wollen. Entwicklung, Lernen und persönliche Veränderung setzen also Voraus, dass jemand die Einsicht hat: "Stimmt - ich kann das jetzt NOCH nicht und ich verstehe, es macht Sinn, wenn ich das lerne und es nachher kann"
Doch schauen wir uns zuerst einmal an, wie ein Lernprozess oder ein Entwicklungsprozess abläuft. Hilfreich fürs Verständnis ist das sogenannte Modell "Four Stages of Competence" (Vier Stufen der Kompetenz).
Vier Stufen der Kompetenz: Ein hilfreiches Modell für Führungskräfte zur Mitarbeiterförderung
Unbewusste Inkompetenz: In dieser Phase weiss eine Person nicht, dass sie in einem bestimmten Bereich inkompetent ist. Sie hat keine Erfahrung oder Kenntnisse und ist sich dessen nicht bewusst. Ein Beispiel dafür ist, wenn jemand noch nie ein Musikinstrument gespielt hat und keine Ahnung hat, wie schwierig es ist, es zu beherrschen.
Bewusste Inkompetenz: In dieser Phase wird einer Person bewusst, dass sie in einem bestimmten Bereich inkompetent ist. Sie erkennt ihren Entwicklungsbedarf und wird sich bewusst, dass es etwas gibt, was sie noch lernen kann. Hier entsteht also eine Einsicht für den notwendigen Entwicklungs- oder Lernschritt. "Ok - ich kann es NOCH nicht". Wenn jemand anfängt, ein Musikinstrument zu lernen und feststellt, dass es schwierig ist, die richtigen Noten zu treffen oder die Techniken zu beherrschen, befindet er sich in dieser Phase. In dieser Phase ist Zuversicht ganz wichtig. Ich zeige dir unten, was du als Führungskraft tun kannst, damit dein:e Mitarbeiter:in in dieser Phase zuversichtlich wird oder bleibt.
Bewusste Kompetenz: In dieser Phase hat eine Person genügend Erfahrung und Wissen gesammelt, um eine Aufgabe erfolgreich auszuführen, aber sie erfordert bewusste Anstrengung und Konzentration. Die Person ist in der Lage, die erforderlichen Fähigkeiten anzuwenden, muss aber aktiv darüber nachdenken und sich darauf konzentrieren. Wenn jemand ein Musikinstrument lernt und in der Lage ist, einfache Lieder zu spielen, aber dabei noch auf die Noten schauen und sich auf seine Fingerbewegungen konzentrieren muss, befindet er sich in dieser Phase.
Unbewusste Kompetenz: In dieser Phase hat eine Person so viel Erfahrung gesammelt, dass die Fähigkeiten automatisch und ohne bewusste Anstrengung angewendet werden können. Die Person handelt intuitiv und kann die Aufgabe mühelos ausführen, ohne darüber nachzudenken. Wenn jemand ein erfahrener Musiker ist und mühelos komplexe Stücke spielen kann, ohne bewusst über Noten oder Fingerpositionen nachzudenken, befindet er sich in dieser Phase.
Vier Möglichkeiten, wie du Mitarbeiter:innen in den Phasen in der Entwicklung und beim Lernen unterstützen kannst.
Als Führungsperson (zum Beispiel als Teamleiter:in) kannst du aktiv und bewusst einen Rahmen schaffen, der die Entwicklung deiner Mitarbeiter:innen unterstützt. Das ist aktive Mitarbeiterförderung!
Ich erkläre dir die Möglichkeiten anhand eines kleinen Beispiels:
Hans ist Mitarbeiter im Verkaufsinnendienst. Gegenüber Kunden, die eine Reklamation anbringen, verhält er sich am Telefon nicht immer freundlich. Er muss unbedingt sein Verhalten am Telefon verändern, und sich gegenüber Kundinnen und Kunden auch in schwierigen Situationen konstruktiv und freundlich verhalten.
Unterstützung in Phase 1 der Mitarbeiterförderung: Unbewusste Inkompetenz
Hans weiss noch nicht, dass er eine Veränderung seiner Haltung und seines Verhaltens angehen muss. Als unterstützende Führungsperson kannst du jetzt:
Mit Hans darüber sprechen. Erkläre ihm das WARUM der notwendigen Veränderung. Zeige ihm auf, was sein Verhalten bewirkt, welche Konsequenzen es hat etc. Das kann unangenehm sein. Du gibst Hans jetzt aber die Chance der Selbstkonfrontation und damit die Chance, dass er seine unbewusste Inkompetenz in eine bewusste Inkompetenz wandelt. Das "WARUM" ist zudem eine Chance, dass Hans Sinn und Zweck der notwendigen Entwicklung und Verhaltensänderung versteht. Sinnempfinden ist auch einer der zentralen Motivatoren überhaupt. Garantie ist das keine. Aber eine Chance. Du siehst: Du arbeitest daran, den richtigen Rahmen für die Veränderung und die Entwicklung zu schaffen.
Unterstützung in Phase 2: Bewusste Inkompetenz
Hans weiss und versteht jetzt, dass ein Veränderungs- und Entwicklungsschritt notwendig ist. Nun kommt das Thema Zuversicht ins Spiel.
Wir sind zuversichtlich, wenn wir uns auf uns selbst verlassen können; wenn wir wissen und glauben, dass unsere Ressourcen ausreichen und wir etwas bewirken können.
Du als Führungsperson kannst massgeblich zum Thema Zuversicht beitragen. Du kannst dir überlegen, welche Stärken Hans hat und wie er diese nutzen kann. Sprich mit Hans über seine Stärken: Wie er sie selbst sieht und welche du siehst. Stärkenorientierung ist massgeblich am Empfinden von Zuversicht beteiligt.
Und nun vielleicht sogar der wichtigste Punkt: Fokussiere dich als Führungsperson unbedingt und zwingend auf die Erfolg. Wenn Hans nun die Situationen besser gestaltet und du Veränderungen bemerkst, dann sprich diese an. Gib positive Feedbacks. Auch dann, wenn es nur kleine Veränderungen und Entwicklungen sind. In der Positiven Psychologie und im Positive Leadership Ansatz (PERMA-Lead) spricht man von "Accomplishment".
Studien zeigen, dass es von zentraler Bedeutung in der Führungsarbeit ist, dass Vorgesetzte Erfolge, positive Veränderungen und Entwicklungen sehen, erkennen und ansprechen.
Unterstützung in Phase 3: Bewusste Kompetenz
Hans hat sein Verhalten nun verbessert, er geht deutlich adäquater mit den Kundinnen und Kunden am Telefon um. Für Hans ist das aber noch nicht ein automatisierter Prozess. Er macht das bei jedem Telefonat bewusst und das braucht zuweilen auch Energie.
Jetzt ist es entscheidend, dass Hans seine neues Verhalten anwenden, trainieren und verankern kann. Damit das gut gelingt, braucht er positive Emotionen. So werden die "richtigen" Neurotransmitter ausgeschüttet und seine Energie/Motivation bleibt erhalten.
Diese Neurotransmitter führen zudem dazu, dass Hans in seinem Gehirn die neu entstandenen neuronalen Netzwerke und Verschaltungen weiter entwickelt und sich diese so stärken können, dass sein Verhalten "automatisiert" wird.
Als Führungskraft und Chef:in von Hans kannst du dazu massgeblich beitragen: Hör nicht auf, weiterhin die Fortschritte und positiven Entwicklungen von Hans zu sehen und ihm dazu anerkennend, authentisch und wertschätzend Feedback zu geben. Wertschätzende, positive Kommunikation ist nun immer noch zentral und wichtig.
Du kannst problemlos lernen, wie wertschätzende Kommunikation (im Sinne einer positiven Kommunikation) gelingt. Das habe ich in diesem Blogbeitrag ausführlich beschrieben.
Unterstützung in Phase 4: Unbewusste Kompetenz
Hans hat sein Verhalten nun weitgehend automatisiert. In den meisten Situationen gelingt ihm mit den Kundinnen und Kunden eine positive und aufrichtige Kommunikation. Das zeigt sich in besseren Feedbacks der Kund:innen und auch Hans fühlt sich nun wohler und erfolgreicher in seiner Rolle. Win-Win!
Damit das so bleibt, kannst du als Teamleiter:in bzw. als Vorgesetzte:r von Hans weiterhin seine positiven Emotionen und Erfolgserlebnisse unterstützen. Dabei ist wichtig, dass du zu und mit Hans eine positive Resonanz aufbaust. Das gelingt dann besonders gut, wenn du ihm in einer sogenannten Subjekthaltung begegnest.
Das bedeutet konkret: Begegne Hans auf Augenhöhe. Im Sinne von: "Ich bin o.k. - du bist o.k. Sie ihn unbedingt als gleichwertig und dir ebenbürtig. Das hat zur Folge, dass du und Hans einander einfacher in einer positiven Resonanz begegnen könnt und das wiederum hat Konsequenzen auf die weitere Entwicklung und Förderung von Hans in seinem Team und in seinen Aufgaben.
Resonanz ist ein Phänomen aus der Neurowissenschaft. Eigentlich eines meiner Lieblingsthemen. Hier habe ich dir einen Beitrag geschrieben, in dem du mehr über Resonanz erfahren kannst.
Gibt es Grenzen der Mitarbeiterförderung und Mitarbeiterentwicklung?
Ja! Die gibt es. Und in einer Führungsrolle finde ich es auch sehr wichtig, dafür ein Grundverständnis zu haben.
Die erste Grenze der Mitarbeiterentwicklung: Es gibt kein Rezept!
Es gibt kein Rezept. Einen Entwicklungsschrit oder einen Lernschritt bei Mitarbeitenden kannst du nicht impfen, nicht intravenös verabreichen und nicht mit einer Tablette verursachen. PUNKT!
Das einzige, was du tun kannst (und das ist schon sehr viel!) ist, eine Rahmen zu schaffen, in dem sich die Person entwickeln KANN und etwas lernen KANN.
Die zweite Grenze der Mitarbeiterentwicklung: Wenn du keinen Einfluss hast.
Es gibt Dinge, auf die du keinen Einfluss hast. In unserem Kontext sind das grundsätzlich drei Aspekte, die du beachten solltest:
Wenn deine Mitarbeiterin bzw. dein Mitarbeiter nicht einsichtig ist, nicht einen inneren Antrieb für den Entwicklungsschritt entwickelt, dann bist du irgendwann "machtlos". Entweder du kannst das akzeptieren und weiterhin mit der Person zusammenarbeiten, oder du musst dir überlegen, die Person anders einzusetzen oder im schlimmsten Fall dich vielleicht auch von ihr zu trennen.
Wenn der/die Mitarbeiter:in psychische Probleme hat, die gegenüber der Lernaufgabe hemmend wirken (zum Beispiel grosse Selbstwertprobleme), dann ist das auch ausserhalb deines Einflussbereichs. Du kannst deine Einschätzung mitteilen, du kannst dem Teammitglied empfehlen, sich Hilfe zu holen. Aber niemals - wirklich niemals - hast du als Führungsperson eine therapeutische Aufgabe. Selbst wenn du Therapeut:in bist: Du kämst in einen Rollenkonflikt!
Die Persönlichkeit deiner Mitarbeitenden ist ebenfalls eine Grenze. Oder anders gesagt: Aus einem Menschen mit beispielsweise einer Tendenz zur Introversion wirst auch du (und die Person selbst!) keinen extravertierten Partylöwen machen. Hier geht es vielmehr darum, in den Charaktereigenschaften und Persönlichkeitszügen ebenfalls nach Ressourcen und Stärken zu sorgen.
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