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Autorenbildchristophdobler

Die Basics: Polarität und Balance. Auch du strebst nach einem dynamischen Gleichgewicht.

Dieses Kapitel des widmet sich den Basics des mindbox-Modells. Dabei geht es im Grunde genommen um ein Grundverständnis und eine Basis zweier Konzepte, die in der Wissenschaft wie in der Philosophie und in vielen Kulturschriften gleichermassen anzutreffen sind. Sie sind aus meiner Sicht zentral wichtig und helfen, die Instrumente, Werkzeuge und möglichen Massnahmen besser verstehen und anwenden zu können. Die Rede ist hier von zwei Lebensgrundprinzipien, denen wir Menschen schlicht nicht ausweichen können. Sie werden mitunter auch als «Spielregeln» bezeichnet und prägen unser Dasein in grossem Masse. Es lohnt daher, sich etwas eingehenden mit den beiden Konzepten «Polarität» und «Balance/Gleichgewicht» auseinanderzusetzen.







Polarität – das Grundprinzip allen Lebens

Die Polarität bildet die Basis – gewissermassen das Fundament – des mindbox-Modells. Aus meiner Sicht handelt es sich um das Grundprinzip allen Lebens. Der Polarität begegnen wir in allen Disziplinen der Wissenschaft gleichermassen – etwa in philosophischen Schriften und den Weltreligionen. In verschiedenen Formen wird es seit Jahrtausenden beschrieben.


Doch was genau ist mit Polarität gemeint? Vereinfacht gesagt, geht es um eine Welt der Gegensätze. Wir leben nicht in einer Welt der Einheit und können diese auch nicht beschreiben. Erst die Polarität, bzw. die Gegensätze, machen unsere Welt erklärbar. So leben wir also in eine Welt der Gegenpole, wo gross zu klein gehört und gut erst durch böse definiert werden kann.


Religionen und Philosophien aller Welt und Zeiten beschreiben diese Welt der sich ergänzenden Gegensätze. Man denke dabei beispielsweise an Yin und Yang, die erst gemeinsam das Tao, also die Ganzheit, bilden. Beide Seiten der Polarität bedürfen einander und sind dann nur zusammen ganz und eins. Die Erfahrung dieser Polarität macht unser Leben aus. Wer einen Ball werfen will, muss sich den Schwung dafür vom Gegenpol holen. Er wird also zuerst mit dem Arm nach hinten ausholen, um den Ball dann möglichst weit zu werfen. Wie könnten wir uns etwas Kleines vorstellen, wenn es nicht noch etwas Grösseres gäbe? Was wäre hoch ohne tief? Was wäre reich ohne arm? Wie könnten wir ausatmen, ohne vorher einzuatmen? Jede Türe ist zugleich immer auch ein Ein- wie auch ein Ausgang. Allerdings je nach Blickwinkel. Manchmal nehmen wir nur eine Seite wahr. Und da wir also in einer Welt der Gegensätze leben, ist der Versuch, stets auch einen Perspektivenwechsel vorzunehmen, sicher hilfreich. Und denken Sie beim Perspektivenwechsel daran: Alle Pole und Gegensatzpaare gehören immer zusammen. Genauso, wie zum Geborenwerden automatisch der Tod gehört.


Statisch oder dynamisch? Die Homöodynamik.

Lebende Systeme – und davon sprechen wir hier – tendieren im Rahmen der Polarität dazu, den Ausgleich finden zu wollen. Im Zentrum dieser Überlegung steht dabei das dynamische Fliessgleichgewicht.


Gleichgewicht in allen Bereichen der Arbeit und des Lebens generell können Sie als Ziel für sich und die Organisation verstehen. Gleichgewicht – oder „Homöodynamik“, wie wir es hier auch nennen – ist ein Grundprinzip des Lebens. „In dynamischen Systemen strebt alles nach Ausgleich“ ist eine Grundidee vieler wissenschaftlicher Disziplinen. Die Idee der Homöostase/Homöodynamik findet sich gleichermassen in der Biologie, der Psychologie, der Chemie, in den Wirtschaftswissenschaften und in anderen Fachrichtungen. Auch in philosophischen Schriften, etwa bei Aristoteles, findet sich der Gedanke, dass alles immer wieder in seine Mitte finden muss – ins Gleichgewicht eben. Das Streben nach Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts ist also ein Grundprinzip des Lebens. Dabei sollte der Begriff „Gleichgewicht“ nicht statisch verstanden werden, sondern vielmehr dynamisch.


Der Seiltänzer, der im Gleichgewicht ist, um nicht herunterzufallen, ist in Tat und Wahrheit immer in Bewegung. Muskelbewegungen – auch noch so kleine und feine – helfen, das Gleichgewicht herzustellen und zu erhalten. Wäre der Seiltänzer in einem „unbewegten“ statischen Gleichgewicht, würde er augenblicklich vom Seil fallen. Die dynamischen Bewegungen stellen also das Gleichgewicht her. Deshalb scheint der Begriff Homöodynamik auch passender zu sein als Homöostase. In der Literatur werden die beiden Begriffe jedoch oft synonym verwendet.

Von der einzelnen Zelle bis zur ganzen Gesellschaft versucht die Natur, alle Störungen zu kompensieren und das stabile, „dynamische“ Gleichgewicht wiederherzustellen, um zu dem Funktionsspektrum zurückzukehren, das jeweils normal oder erwartbar ist. Im Gleichgewicht funktionieren also alle Systeme so, wie sie gedacht sind, damit sie ihren Zweck erfüllen können. Findet ein lebendes System nicht zu seinem Gleichgewicht, sind Funktionsstörungen die Folge. Und wenn nun das Ungleichgewicht im System zu stark wird und lang genug bestehen bleibt, hat das unweigerlich den Tod des Systems zur Folge. In der Arbeitspraxis führen beispielsweise starke Ungleichgewichte im Team (zum Beispiel chronische, ungelöste Konflikte) zu Funktionsstörungen und im schlechtesten Fall zum Teamversagen.


Homöodynamik auf der Körperebene

Haben Sie sich schon einmal überlegt, welche unglaublichen Funktionen im menschlichen Körper tagtäglich ablaufen? Was für ein Wunderwerk der Natur! Jede einzelne Körperzelle ist eine komplexe „Fabrik“, die permanent in Betrieb ist und nur überlebt, wenn es ihr gelingt, das erforderliche metabolische Gleichgewicht von Millionen chemischer Wechselwirkungen immer wieder herzustellen. Jedes Organ funktioniert über das Zusammenwirken von Zellen, unser Körper funktioniert über das Zusammenwirken von Organen. Überleben hängt vom ausgewogenen Funktionieren aller anderen ab. Durch Homöostase hält unser Körper die Körpertemperatur, den Blutdruck und den Herzschlag stabil.


Unser Körper ist ein andauerndes Wunderwerk aus Milliarden gelungener Anpassungsleistungen. Doch warum erwähne ich das hier, in einem Büchlein über Führungsarbeit und Persönlichkeitsentwicklung? Nun, wissenschaftliche Belege für Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper gibt es mittlerweile unzählige. Und jährlich werden es mehr. Wie wir also unsere Arbeit (und unser Leben) erleben und wahrnehmen, hat einen direkten Einfluss auf unsere Psyche und damit auch auf den Körper. Sowohl aus persönlichen als auch wirtschaftlichen Gründen lohnt es sich, dem körperlichen Gleichgewicht genügend Beachtung zu schenken.


Beispiel: Wenn es in der Sauna heiss wird....

Es gibt viele Beispiele, in denen unser Körper seine homöodynamischen Fähigkeiten zeigt. Wer in eine Sauna geht, begibt sich in sehr hohe Temperaturen. Der Körper wird sofort versuchen, durch Schwitzen die Körpertemperatur wieder auszugleichen. Umgekehrt werden Sie beginnen zu zittern, wenn Sie sich grosser Kälte aussetzen. Auch hier ist das Bestreben des Körpers nach Ausgleich gut erkennbar.


Homöodynamik und Psyche

Das Thema Gleichgewicht kann aber auch auf der psychischen Ebene betrachtet und reflektiert werden. Eines ist sicher: Auch unsere Psyche ist darauf bedacht, im Gleichgewicht zu bleiben, denn auch sie ist störungsanfällig. Die Wissenschaft belegt sehr gut, dass beispielsweise die dauerhafte Vernachlässigung eigener Bedürfnisse (siehe dazu auch Kapitel ‎5.3) dazu führen kann, psychisch krank zu werden. Und dass es einen Zusammenhang zwischen psychischen und körperlichen Beschwerden geben kann, habe ich bereits weiter oben erwähnt.



Homöodynamik auf der sozialen Ebene

Wir werden später noch sehen, dass gute zwischenmenschliche Beziehungen für das Wohlbefinden der Menschen wesentlich sind. Zwischenmenschliche Beziehungen, denen es an der homödynamischen Gabe der Konfliktlösung fehlt, laufen Gefahr, auseinanderzubrechen. Das wirkt sich dann wiederum negativ auf Psyche und Körper aus.

Alle Arten von Organisationen (Unternehmungen, Vereine, Ämter, Behörden, Staaten usw.) sind stets bemüht, ein Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Interessen ihrer Mitglieder einerseits und den Interessen der Organisation andererseits herzustellen. An einem Beispiel erläutert: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen ihre Energie (ihre Motivation) dem Unternehmen zur Verfügung. Das tun sie vor allem dann, wenn sie ihre Interessen vertreten sehen. So gesehen sind also Organisationen vor allem deshalb an Gleichgewicht/Homödynamik interessiert, weil sie damit ihr Überleben sichern. Organisationen gehen immer davon aus, dass sie quasi „ewig“ weiterbestehen werden. Diese Einstellung ist essenziell dafür, dass Mitarbeitende motiviert und energievoll ihre Arbeit anpacken können. Oder stellen Sie sich vor, dass Ihr Arbeitgeber kommuniziert, das Unternehmen werde in zwei Monaten geschlossen und liquidiert. Können Sie sich die Auswirkungen auf die Energie und die Motivation der Mitarbeitenden vorstellen? Diese grundlegende Haltung des „ewigen Fortbestehens“ von Unternehmen spiegelt sich übrigens auch in vielen betriebswirtschaftlichen Konzepten wider. So zum Beispiel im Rechnungswesen, wo grundsätzlich vom „going concern“, also vom Fortbestand der Unternehmung ausgegangen wird. Fehlt Organisationen die Gabe, immer wieder ein Gleichgewicht zwischen widerstreitenden Kräften herstellen zu können, droht der Zusammenbruch.

Das Streben nach Gleichgewicht ist also ein wichtiges Grundprinzip. Wir müssen immer wieder bestrebt sein, die Balance zu finden. Balance ist aber kein statischer, immer gleich bleibender Zustand, sondern ganz im Sinne der Polarität ein stetes Pendeln um den Gleichgewichtspunkt, ein Pendeln zwischen den Polen. Diese „Gleichgewichte“ sind aber durchaus anfällig. Als Beispiel sei hier nur der Eingriff der Menschen in das ökologische Gleichgewicht genannt, dessen Konsequenzen zum heutigen Zeitpunkt nur erahnt werden können.


„Life – Balance“ heisst, sich seinem individuellen Fliessgleichgewicht zu widmen.

Wir tun gut daran, dem Gleichgewicht, insbesondere dem Gleichgewicht sozialer Systeme, Beachtung zu schenken und uns vermehrt Gedanken über unser persönliches Gleichgewicht zu machen. Dabei helfen oft kleine Schritte mehr als die ganz grossen. Kleine Schritte sind nämlich einfacher zu gehen. Und viele kleine Schritte geben zusammen irgendwann „big steps“, da jede lange Reise mit dem ersten – kleinen – Schritt beginnt.


Beispiel: Lebende Systeme sind immer in Bewegung. Das gilt auch für soziale Systeme. Eine Partnerschaft, die nicht mehr in Bewegung ist, ist eben auch nicht mehr lebendig. Nicht mehr in Bewegung würde hier heissen: Keine Gespräche, keine Konflikte, keine Auseinandersetzungen. Aber auch keine gelebten Gemeinsamkeiten, keine gemeinsamen Ziele etc.

Ein System, das nicht mehr in Bewegung ist, ist tot. Gleiches gilt auch für Teams, Gruppen, Unternehmen etc. Eine Unternehmung, die sich nicht mehr bewegt, wird untergehen. Sie wird sich nicht mehr den neuen Gegebenheiten am Markt anpassen, nicht mehr Rücksicht auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden und Mitarbeiter nehmen, sich nicht mehr mit den technischen Neuerungen auseinandersetzen etc. Das führt zum Stillstand und zum Tod der Unternehmung.



Polarität in den Naturwissenschaften

Das Prinzip der Polarität findet sich an vielen Orten in den Naturwissenschaften. Chemiker gehen davon aus, dass Salz nur entstehen kann, wenn die beiden Gegenpole Säuren und Basen zusammenkommen. Die Vererbung folgt ebenfalls dem Muster der Polarität: durch das weibliche X- und das männliche Y-Chromosom. Der Magnet lebt vom Nordpol und vom Südpol. Und zu jedem Elektron gehört ein Positron. Die Liste liesse sich noch beliebig weiterführen.


Polarität in der Betriebswirtschaft

Auch in der Betriebswirtschaft zeigt sich das Grundprinzip der Polarität. Ökonomen sprechen gerne von sogenannten Opportunitätskosten und meinen damit den entgangenen Nutzen, wenn man sich mit verschiedenen Optionen einer Entscheidung beschäftigt. Wer sich also beispielsweise für die Investitionen A entscheidet, dem entgeht ein Nutzen, der aus der Investition B entstanden wäre.



Alles hat einen Preis

Was immer wir Menschen also tun, wofür wir uns auch immer entscheiden: Es gibt immer einen Gegenpol. Dies erscheint auf den ersten Blick als eine Binsenweisheit, hat aber auf den zweiten Blick viel Potenzial für ein besseres Verständnis. Egal, ob es sich um eine Investition in einem Unternehmen, um einen Führungsentscheid oder um eine ganz persönliche Entscheidung handelt. Alles hat einen Preis. Sei dies in Form von Geld oder von Verzicht auf etwas anderes oder von entstehenden Konsequenzen oder vielleicht auch von allem gemeinsam. Das Grundverständnis des Prinzips der Polarität kann helfen, sich dessen auch in der Praxis immer wieder bewusst zu werden. Und nur weil es die Polarität gibt, kann darauf aufbauend auch das Prinzip des dynamischen Gleichgewichts, der Homöodynamik, erklärt werden: Das dynamische und dauerhafte Pendeln zwischen den Polen.



Reflexionsfragen zum Thema Polarität/Balance


Welche letzte grosse Entscheidung haben Sie gefällt? Worauf haben Sie verzichtet?


Wie leicht (oder schwer) fallen Ihnen Entscheidungen? Könnte es sein, dass Sie sich bei Entscheidungen schwertun, weil Sie immer auch an diejenigen Optionen denken, die auch möglich wären?


Haben Sie schon einmal etwas Gutes gewollt, sind dann aber im Gegenpol gelandet? Es kam also anders, als Sie sich das gedacht haben? Hätte es geholfen, wenn Sie sich bereits vorgängig Gedanken über den Gegenpol und damit gleichzeitig auch über mögliche Konsequenzen gemacht hätten?


Denken Sie an ein Change-Projekt in Ihrer Organisation. Was ist dabei erfolgreich gelaufen? Welcher «Preis» ist entstanden für diese Erfolge? Wo und wie konkret zeigten sich die Schattenseiten dieses Veränderungsprojektes?


Steht bei Ihnen eine (grössere) Entscheidung an? Das Wissen, dass es für jede gefällte Entscheidung auch einen Gegenpol geben muss, kann Ihnen zu mehr Klarheit helfen. Auch der neue Job, die neue Beziehung und das neue Haus werden niemals nur perfekt und zu 100% positiv sein. Aber sie können helfen und dazu beitragen, wieder näher zum Gleichgewichtspunkt zu finden.


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